Als Kinder hielten wir uns alle die Hände vor die Augen und dachten, dass wir so nicht gesehen werden könnten. Anscheinend haben sich viele Menschen diesen „Trick“ bewahrt. Gerade bei PolitikerInnen und ganzen Parteien kommt mir oft der Pippi-Langstrumpf-Spruch in den Sinn. „…Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“.
Regierungsratswahlen
Esther Keller hat gewonnen, und das ist gut so, denn sie ist die bessere Alternative der schlechten Möglichkeiten. Aber sie lässt sich mit dem Satz zitieren: „Viele haben mich, Esther, als Mensch gewählt“, das ist mehr als die Hand vor den Augen zu halten. Entweder will sie damit davon ablenken, dass sie nur die bessere Wahl war, oder sie ist so dreist, uns glauben zu machen, dass sie das wirklich meint. Tatsache ist, dass nur zwei Kandidatinnen zur Wahl standen und die andere für viele nicht wählbar war. Viele Wählerinnen haben leer eingelegt oder nur abgestimmt und nicht gewählt. So werden wir jetzt 4 Jahre lang von Keller hören, dass sie als Person gewählt wurde, weil sie es so gut macht. Von Ineichen werden wir hören, dass sie einen Achtungserfolg erzielt hat und wie viele Leute es gut fanden, was sie im Wahlkampf gefordert hat, wohl wissend, dass sie ihre extremen Positionen nie durchgesetzt hätte, wenn sie gewählt worden wäre.
Abstimmungen
Die Abstimmungen waren alle nicht super knapp, die einen etwas deutlicher als die anderen. Egal, nach den Abstimmungen geht immer das gleiche Spiel los. Die Sieger erklären, wie wichtig das Ergebnis ist, die Verlierer freuen sich lauthals darüber, wie viele Menschen ihrem Anliegen zugestimmt haben. Natürlich kann niemand einfach sagen, wir haben verloren, schade! Natürlich muss man als VerliererIn sagen, dass das Ergebnis Ansporn ist, das Anliegen weiter zu verfolgen, und die GewinnerInnen betonen, dass sich die WählerInnen nun klar geäussert haben. Man macht sich die Welt, eben wie sie einem gefällt. Schlimm ist es, wenn z.B. wie beim Nationalstrassenausbau mit Unwahrheiten Wahlkampf gemacht wurde und jetzt, wo viele diesen falschen Argumenten gefolgt sind, gejubelt wird und völlig negiert wird, was man angerichtet hat. Der Untergang einer florierenden Wirtschaft wird genau von diesen Kreisen in Kauf genommen, Hauptsache man kann seine Klientel bedienen. Bei den Nationalstrassen bestreitet niemand, dass der Verkehr weiterhin staut, was einen grossen volkswirtschaftlichen Schaden verursacht, und dass die AutofahrerInnen auch in die Stadt und die Quartiere ausweichen. Das ist sogar eine gute Vorlage, um den Verkehr in der Stadt weiter zu drangsalieren und weitere Abstimmungen gegen das böse Auto zu lancieren. Irgendwann ist es geschafft, in Basel sind alle privaten Autos und Lieferwagen verboten, die Unternehmen sind alle aus dem Kanton weggezogen und mangels Dienstleistungen wandern auch die EinwohnerInnen ab. Den heutigen Anti-MIV-AktivistInnen ist das alles egal, sie müssen dann ja nicht mehr gewählt werden.
Auch bei den InitiantInnen der Musikvielfaltinitiative, funktioniert das. Die Reaktion nach der Abstimmung ist nicht etwa die Einsicht, dass die Bevölkerung das Anliegen nicht wollte, bestenfalls nicht verstanden hat, in einem Mail schreiben sie: „Gestern haben wir nicht gewonnen. Aber auch nicht verloren. 35 % ist ein grossartiges Ergebnis, auf das wir unglaublich stolz sind.“, da braucht es keinen weiteren Bedarf. Die Hand vor die Augen und nicht sehen wollen funktioniert auch hier gut.
Es ist nicht nur in der Politik so
Dieses „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“ können auch die Behörden sehr gut. Als es letzte Woche so stark geschneit hat, war es nicht mehr möglich, wie in früheren Zeiten, den Schnee rechtzeitig wegzuräumen, so kam auch der ÖV zum Erliegen, anscheinend hat man nicht mehr die Ressourcen, mit solchen Wetterlagen umzugehen, und schon gar nicht will man Überstunden für die Angestellten anordnen. Als Chef würde das ein schlechtes Licht auf Sie werfen. Die BVB hat es sich sehr einfach gemacht und den Betrieb eingestellt, dass es auch anders geht, haben viele andere ÖV-Betriebe gezeigt. Die Abfallsäcke wurden am Freitag in den Aussenquartieren einfach nicht abgeholt, eine entsprechende Mitteilung habe ich nicht gesehen. Die vom Grossen Rat geforderte Schnee-Räumung der Trottoirs verzögert sich, weil offenbar die gesetzliche Grundlage noch nicht geschaffen ist, egal, die HauseigentümerInnen bleiben einfach in der Pflicht. Interessant ist auch, dass bei vielen Bäumen die Schneelast zu hoch war und Äste abgebrochen sind. Dass die Stadtgärtnerei die Baumkronen nicht ausreichend pflegt, habe ich schon an anderer Stelle kritisiert. Auch hier wird das natürlich nicht erwähnt, viel lieber wird behauptet, dass es in Basel neue Bäume braucht. Wobei ich bei einigen jungen, neu gepflanzten Bäumen abgebrochene Äste und Kronen gesehen habe. Hätte man, wie von mir gefordert, private Gärtnerinnen und Gärtner mit der Baumpflege beauftragt, wären viele dieser Äste vor dem grossen Schnee geschnitten worden und nicht abgebrochen. Wir dürfen gespannt sein auf die nächste Medienmitteilung der Stadtgärtnerei, die das natürlich ganz anders sieht, eben mit den Händen vor dem Gesicht.
Auch die SBB können das sehr gut. Die Margarethenbrücke wird nicht, wie ursprünglich geplant, so instandgesetzt, dass sie bis zum Neubau ’normal befahren‘ werden kann. Dass damit der ÖV und der MIV bis sicher 2030 behindert werden, kann den SBB egal sein. Hände vor Augen, so sieht man das Chaos nicht, das man in der Stadt anrichtet!
Tägliche Medienmitteilungen werden grösstenteils von den Medien einfach übernommen
Gerade das Bau- und Verkehrsdepartement verschickt fast täglich Medienmitteilungen, in denen die Welt so erklärt wird, wie man sie selber sehen will. Die Medien nehmen sich kaum mehr die Zeit, diese Mitteilungen richtig zu lesen und zu recherchieren, wie es wirklich ist. Sie übernehmen einfach das Geschreibsel und verbreiten so die einseitige Darstellung von Problemen, für die es viele bessere Lösungen gibt. Man denke nur an die ständige Wiederholung, dass Baumpflanzungen wegen der unterirdischen Leitungen nicht möglich sind, es wird einfach verschwiegen, dass Büsche und Grünflächen keine tiefen Wurzeln brauchen, „ich mache mir die Welt …“.
Politik- und Behördenverdrossenheit
Kein Wunder, dass die Wahlbeteiligung sehr niedrig ist und die Behördenverdrossenheit ständig zunimmt. Die BürgerInnen vertrauen den Behörden nicht mehr und glauben den PolitikerInnen kaum noch, höchstens wenn sie genau das sagen, was man hören will. Wohin das führt, sehen wir bei unseren Nachbarn in Deutschland und weltweit, wo der Populismus immer stärker wird, die Polarisierung zunimmt und die Demokratien immer mehr verschwinden. Aber egal, Hände vor die Augen und nach mir die Sintflut.