Es braucht nicht viel. Eine App auf dem Handy und zwei Kameras, von denen eine die Handycam sein kann. Schon kann es losgehen, das Paar muss sich nur immer im Fokus der beiden Kameras bewegen, diese aber am besten ganz vergessen. Die App, oder besser gesagt die Künstliche Intelligenz (KI) dahinter beobachtet alle Aktionen genau und wertet sie ständig aus. Der Fokus der App liegt auf der Interaktion des Paares, von der Annäherung bis zum eigentlichen Geschehen, sowie auf den Geräuschen und dem gesprochenen Wort. Es kann eingestellt werden, ob die Hinweise für besseren Sex im Nachhinein abgerufen oder wie bei einem Coach kontinuierlich eingespielt werden. Spannend nicht? Auf alle Fälle haben Sie bis hierher gelesen.
Diese Anwendung gibt es – noch – nicht, ich habe sie erfunden. Ich habe auch nicht die Absicht, so etwas zu programmieren, aber es wäre natürlich möglich. Mit KI hätte diese Anwendung allerdings nicht viel zu tun. Der Grund für die Einleitung zu diesem Blog: Ich wollte Ihre Aufmerksamkeit und es scheint, dass ich sie bekommen habe. Sex ist immer ein Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen, und KI ist in letzter Zeit ein Garant dafür. Es vergeht kein Tag und keine Zeitungsausgabe, in der nicht mindestens eine Schlagzeile über eine Anwendung mit KI berichtet. Wobei alles, was die IT hervorbringt, als KI herhalten muss, auch wenn ein vorgestelltes Programm oder eine Anwendung in den seltensten Fällen etwas mit KI zu tun hat, Die Hauptsache ist, dass die LeserInnen den Artikel toll finden und meinen, etwas Neues zu erfahren.
Gerade macht die Geschichte die Runde, dass Ärzte mit KI ihre Patientendossiers schneller schreiben als ohne. Was genau die KI dabei macht, wird nirgends beschrieben. Wie meistens geht es eher darum, dass die IT hilft. Man nutzt einfach die Rechenleistung und Kombinationsfähigkeit heutiger Computer. Ein gutes Diktierprogramm mit dem richtigen Vokabular (für Ärzte, wie für andere Berufsgruppen auch, kann man spezielle Vokabulare kaufen) kann sicher helfen Dossiers schneller zu schreiben, das geht noch besser, wenn Satzfragmente angeklickt werden können. So hat mein Arzt übrigens schon vor 15 Jahren gearbeitet. Mit KI hat das wenig zu tun, das ist einfach IT richtig eingesetzt. KI wäre, wenn ein Programm die Patientin, den Patienten direkt und selbständig erkennt, kaum dass diese die Praxis betreten, die richtige Akte aufruft und eventuell per Roboter die richtigen Utensilien und Dokumente für die Untersuchung bereitlegt. Während der Untersuchung hört die KI zu, ergänzt das Dossier laufend und bereitet bei Bedarf einen neuen Termin vor, so dass der Patient oder die Patientin nur noch zustimmen muss. Mit der Zeit hat die KI dann alles gelernt und ist so sicher, dass sie erst die Untersuchung und später die Behandlung selbständig durchführt und das Fachpersonal nur noch Kontrollen machen muss. Der Fantasie für weitere Anwendungen sind keine Grenzen gesetzt.
Zwei Themen sind im Zusammenhang mit KI sehr populär. Das erste sind die Arbeitsplätze, die in Gefahr sind. Es wird zum Beispiel kolportiert, dass die Personalverantwortlichen der Firmen nicht mehr entscheiden, wer eingestellt wird. Die KI, die die Bewerbungen liest, entscheidet auch, wer eingestellt wird. Natürlich kann die KI auch Bewerbungsgespräche führen und dann auch Gehälter berechnen. Ja, es gibt Programme, die bei der Auswahl von Bewerbungen helfen, aber die Kriterien müssen von Menschen eingegeben und immer wieder angepasst und erneuert werden. Irgendwann wird es vielleicht so weit sein, dass ein Programm während des Bewerbungsgesprächs zuhört. Wie begrenzt Anwendungen mit Sprache sind, sieht man, wenn man zum Beispiel bei einem Unternehmen anruft und dem Bot, der den Anruf entgegennimmt, ein paar Fragen stellt, die über das Übliche hinausgehen. Dann antwortet der Bot (der auch keine KI ist) sehr schnell: „Warten Sie, ich stelle Sie durch“. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass die Personalverantwortlichen in vielen Unternehmen sehr froh sein werden, wenn ein Programm eine Vorauswahl aus der Vielzahl der Bewerbungen trifft und so hilft, die zweite Bewerbungsrunde einzusparen. So haben die Personalverantwortlichen mehr Zeit für die Anliegen von MitarbeiterInnen. Das zweite Thema, das sehr oft angesprochen wird: KI ist gefährlich für die Autonomie und Selbstbestimmung der Menschheit. In der Science-Fiction gibt es das schon lange: Ein Programm übernimmt die Herrschaft über alle Maschinen und versklavt die Menschheit. Früher war es ein Programm, heute ist es die KI. In allen Romanen und Filmen, die ich dazu kenne, wird erst die Menschheit immer fauler, kann nicht mehr denken und lässt sich versklaven. Natürlich ist es die KI, die Machthungrig und Böse wird und alle Menschen zu Untertanen macht. Genau solche Szenarien übernehmen PolitikerInnen und andere AngstmacherInnen und fordern dann einen Forschungsstopp oder ein Verbot von KI. Wenn diese Leute ein Verbot wollen, dann müssen sie jeglichen Einsatz von Computern verbieten. Es sind die Computer und nicht die KI, die durch immer bessere Hardware und Programme immer leistungsfähiger werden und alle möglichen Anwendungen ermöglichen . Riesige Datenmengen zu sammeln und auszuwerten hat wenig mit KI zu tun. Dienste wie Facebook, TikTok etc. brauchen keine KI, da geht es darum, die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf dem eigenen Dienst zu halten und zur Nutzung kostenpflichtiger Anwendungen zu bewegen, das geht mit gut programmierten Algorithmen. Wenn die KI zum Beispiel in autonomen Fahrzeugen so gut wäre und alles könnte, dann hätte sie längst gelernt, mit Notsituationen so umzugehen wie der Mensch. Dann wäre es die KI, die nach einem Unfall (den es nicht mehr geben würde) vor Gericht stünde und die Konsequenzen tragen müsste.
Ich möchte KI in keiner Weise verharmlosen oder unterschätzen. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz kann an vielen Stellen sinnvoll sein. Aber wie alles hat sie auch ihre Schattenseiten. Auch mir fällt es schwer, den richtigen Einsatz von KI dem ‚gesunden‘ Menschenverstand zu überlassen (wenn es denn einen gibt). Schon heute wird KI für unsaubere Machenschaften missbraucht. Andererseits kann KI, wenn sie mit guten Absichten eingesetzt wird, auch viel Gutes bewirken. Wie immer und überall gibt es zwei Seiten. Ich schreibe diesen Blog, um auf den Missbrauch des Begriffs ‚Künstliche Intelligenz‘ aufmerksam zu machen. Über den sinnvollen, guten oder schlechten Einsatz von KI zu sprechen, ist eine andere Sache. Das meiste, was uns als KI präsentiert wird, ist nichts anderes als ein gut gemachtes Programm, das dank immer besserer IT-Technologie sehr schnell und zuverlässig reagiert. Seien Sie also vorsichtig, wenn KI in Artikeln und Diskussionen als Schlagwort missbraucht wird. Meistens ist es genau das, ein Schlagwort. Und NEIN, ich habe diesen Artikel NICHT von einem Programm schreiben lassen.
Hier noch ein Erklärungsversuch zu KI: Als Künstliche Intelligenz gilt die Fähigkeit eines Programmes, logisches Denken, Lernen, Planen und die Kreativität des Menschen nachzuahmen. Systeme mit künstlicher Intelligenz analysieren Daten, erkennen Muster und lernen selbständig dazu, was so weit gehen kann, dass sie autonom Abläufe ausführen und diese immer wieder an die aktuelle Situation anpassen. Im Gegensatz zu KI-Programmen spulen ‚algorithmische‘ Programme einfach das ab, wofür sie programmiert wurden, sie tun dies dank der heutigen Technologie enorm schnell und effizient, aber sie entwickeln sich nicht selbst weiter und können nur so weit Prozesse übernehmen, wie es das dahinter stehende Programm zulässt. Wie bei allem ist die Grenze fliessend.